Unterricht ist gemäß einer verbreiteten Auffassung ein pädagogisches Geschehen mit dem Zweck, in institutionalisierter Form Bildung und Erziehung von Schülern zu ermöglichen, wobei der Lehrer als Didaktiker in einer Vermittlungsrolle auftritt. Nach über zwei Jahrhunderten didaktischer Theoriebildung und mehreren Jahrzehnten Lehr-Lernforschung gibt es noch keine befriedigende Theorie, mit der die Logik des Unterrichtens als spezifisch pädagogische aufgeschlossen worden wäre: Weder die großen Vergleichsstudien noch die jüngsten Modellierungen für guten Unterricht als Systeme seiner Bedingungsfaktoren geben Auskunft darüber, was Unterrichten als pädagogische Praxis eigenstrukturell ist und als Form „im Innersten zusammenhält“. Dies hängt auch damit zusammen, dass die hier zuständige Wissenschaft, die Erziehungswissenschaft, mit der pädagogischen Denkform vor allem versucht hat, das Geschehen zu normieren und in Modellen auszulegen, statt es als Prozess zu rekonstruieren.

Das Forschungsprojekt wird von der Grundannahme getragen, dass Unterrichten erst zureichend verstanden werden kann, wenn man berücksichtigt, dass es durch pädagogische Erwartungen, Umgangsformen und Wertungen bestimmt wird. Dies gilt gleichermaßen für Lehrer wie für die Schüler. Das beobachtbare Geschehen ist in seiner Eigenstruktur nicht zu erfassen, wenn man lediglich soziologisch motiviert übergreifend Interaktions- und Kommunikationsprozesse analysiert. Unterrichten bleibt ebenfalls unterbestimmt, wenn es empirisch durch Wirkkategorien wie Motivation oder Kognition beschrieben wird. Erst innerhalb der pädagogischen Rahmung des Geschehens können auch psychologische und sozialisatorische Prozesse ablaufen. Nicht diese interessieren uns, sondern die genuin pädagogischen.

Als Beobachter überhöhen oder überfordern wir nicht das Unterrichtsgeschehen durch (unsere) pädagogischen Normierungen. Wir wollen und können zeigen, dass sie aus der Praxis selbst tagtäglich hervorgehen, eben als Zusammenspiel von unhintergehbaren Erwartungen, eingespielten Umgangsformen und permanent thematisch werdenden Wertungen. Die Form „Unterrichten“ entbindet unausgesetzt ihre pädagogische Eigenstruktur. Die kann erfolgreich bewältigt werden und wir haben dann zu zeigen, nach welcher Verlaufsstruktur das der Fall war. Die Praxis kann aber auch nach fixierbaren Regeln nicht erreichen, was sie anstrebt. Unterricht wird dann als ein hoch routinisiertes Geschehen kenntlich, mit dem der mögliche Widerspruch zwischen Norm und Wirklichkeit stillgestellt wird. Dialektisch ist beides miteinander verbunden, so dass wir sagen können, an welcher Stelle was hätte getan werden müssen, um den pädagogischen Erfolg möglich zu machen. Darin – so hoffen wir zeigen zu können – liegt die sehr praktische Seite eines ansonsten an Theoriebildung interessierten Unternehmens.

 

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